Buzzwords – © kochwerte.de, Illustration: Matthias Hensel
Fruchtig ist fruchtig ist oft nicht wahr: Werbesprache (Teil 2)
Wie Lebensmittel-Werbung unsere Kaufentscheidungen beeinflusst, haben wir im ersten Teil unserer Miniserie gesehen. Heute widmen wir uns einem weiteren problematischen Aspekt der Werbesprache: den vollmundigen Versprechungen und dem, was uns damit tatsächlich verkauft werden soll. Und das fällt, wie wir sehen werden, oft weitaus prosaischer aus.
Die extra knackige Wollmilchsau
"Edel“, „extra knackig“, „aromatisch-cremig“ – sieht man sich die Etiketten und Produktbeschreibungen auf unseren Lebensmitteln einmal genauer an, gerät man leicht ins Staunen. Zumal das, was wird gerade auch noch unser „Darmwohlbefinden verbessern“ und für „mehr Ausgeglichenheit“ sorgen und einen „tägliche[n] Beitrag für die gesunde Ernährung“ leisten soll. Dabei werden selbstredend nur „natürliche Zutaten“ sowie „erlesene Kräuter“ verwendet und man kommt wunderbarerweise ohne den „Zusatz von Geschmacksverstärkern“ aus.
Sogar Joghurtbecher sind nun angeblich weitaus umweltfreundlicher als bisher. – Offensichtlich haben wir es hier mit lauter Wunderprodukten zu tun. Zumindest will uns das die Werbung über die sogenannte Buzzwords auf den Packungen suggerieren. „Buzzwords“ sind Einzelwörter und Phrasen, die besonders stark semantisch aufgeladen sind, also beim Leser oder Hörer sofort ein Bild entstehen lassen. Oft lösen sind Buzzwords auch emotional besetzt und ermöglichen so einen Zugriff auf unterbewusste Wünsche und Sehnsüchte. Werberisch gesehen sind Buzzwords oft der kürzeste Weg zur Kaufentscheidung. Doch kann man der Werbung daraus einen Vorwurf machen?
Edelbitter: 2,5 Prozent Schokolade
Man kann – und zwar aus zwei Gründen: Erstens lösen viele der verwendeten Begriffe beim Verbraucher Erwartungen aus – zum Beispiel den an den einen besonderen Qualitätsanspruch. Doch hinter Wörtern wie „fruchtig“, „cremig“, „edel“ steht oft nichts konkret Definiertes, zumindest nichts, das gesetzlich geregelt wäre. Der Hersteller kann so selbst entscheiden, wie er den verwendeten Begriff auffassen möchte. Oft legt er ihn sehr frei aus. Das gilt sogar für vermeintlich fest definierte Begrifflichkeiten wie „edelbittere“ Schokolade. Dr. Oetker verkauft so als „Pur Crema Choc Tansania edelbitter“ eine Schokoladencreme, der angeblich „Schokolade mit 75 % Kakao“ enthält. Das ist korrekt, doch der Becher weist gerade einmal 2,5 Prozent Schokolade auf. Dr. Oetker bewegt sich damit im gesetzlichen Rahmen, aber ob die Käufer des hochpreisigen Produkts sich nicht doch etwas anderes vorgestellt haben, sei dahingestellt.
© kochwerte.de, Illustration: Matthias Hensel
Fette Salzwürste – und was man dagegen machen kann
Werden leere Buzzwords von der Lebensmittelindustrie großzügig in ihrem Interesse ausgelegt, ist das schon sehr ärgerlich. Erheblich problematischer ist es jedoch, wenn bewusste Produkttäuschung betrieben wird. Also suggestives Vokabular für Produkte herangezogen wird, die das Gegenteil von dem sind, was über sie behauptet wird. Das galt lange Zeit für die „Extra feine Puten-Cervelatwurst“ von Gutfried, die fast zur Hälfte aus Schweinefleisch bestand (mittlerweile wurde die Rezeptur geändert) und es gilt noch immer für „Der Gelbe Zitrone-Physalis“ von Pfanner, einen „Wellness-Tee“, der für „mehr Ausgeglichenheit“ sorgen soll, tatsächlich aber große Mengen Zucker enthält. Und es gilt für „Ferdi Fuchs Mini Würstchen“, laut Hersteller Stockmeyer besonders für Kinder „der tägliche Beitrag für die gesunde Ernährung“. Tatsächlich wiesen diese Würstchen einen hohen Fettanteil und sind extrem salzig, was gerade für Kinder besonders ungesund ist.
Keine Frage: Derartige Gepflogenheiten sind höchst ärgerlich. Und angesichts derartig systematischer Dreistigkeit kann man sich schnell ohnmächtig fühlen. Doch es ist keineswegs so, dass man dem allen komplett hilflos ausgeliefert wäre. Sobald man weiß, wie der Hase läuft, steht man den schönen Versprechen auf den bunten Etiketten schließlich gleich deutlich skeptischer gegenüber. Und bei besonders dreisten Lügen lohnt sich auch der Protest: Es gibt bereits mehrere Fälle, in denen Lebensmittelkonzerne, die sich mit massivem Kunden-Protest konfrontiert sahen, Rezepturen geändert haben. Oft ging die Initiative dabei von der Verbraucherschutzorganisation foodwatch aus, die auf ihrer Website abgespeist.de besonders dreiste Werbelügen enttarnt. Auch unsere Beispiele stammen von dort.
Werbesprache Teil 1 und Teil 3
Von Lautsprechern und Goldenen Windbeuteln: Werbesprache (Teil 1)
Wir sind auch nicht besser: Werbesprache (Teil 3)